Um Nargaroth (bzw. Kanwulf oder Ash, wie er seit
einiger Zeit genannt wird) ranken und zanken sich seit langem unzählige
Mythen, Geschichten, Wahrheiten und Unwahrheiten. Sicherlich ist die
Person an sich mit gewisser Skepsis zu betrachten; interessant in diesem
Zusammenhang ist die Seite des Shaddais. Trotzdem ist dies alles für meine Begutachtung vom neuen Album Jahreszeiten uninteressant. Ob Kanwulf ein Idiot und Lügner ist oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Mit Herbstleyd gab es 1998 ein verdammt gutes Debütalbum und auch danach konnte mich Nargaroth noch mit Rasluka I und II sowie Geliebte des Regens überzeugen. Andere Veröffentlichungen hingegen empfand ich eher schwach und durchschnittlich. Aber nun zu Jahreszeiten,
welches übrigens nicht die meteorologischen Veränderungen behandelt,
sondern innere Abläufe und Veränderungen in Anbetracht der Liebe.
Nachdem der Prolog vorbei ist, ertönt mit dem Frühling
ein musikalisch gewagtes Lied. Denn es enthält eine sehr schunkelhafte
und schlagerartige Melodieführung, die meiner Meinung nach deplatziert
wirkt und ziemlich gewagt ist. Wenn man diese Schunkelmelodik aber
einmal ausblendet, sowie dem schlagerfreien Mittelteil lauscht, entpuppt
sich Frühling als gutes und gelungenes Lied, so wie ich Nargaroth
mag. Mittelschnell aber treibend, begleitet vom Hall unterlegten
Kreischgesang. Allerdings ist der Klang des Schlagzeuges punktuell
etwas suspekt, da er mechanisch und künstlich klingt. Nun kann man
versuchen zu deuten und zu interpretieren, was Kanwulf uns mit dieser
sonderbaren Melodik sagen will, ich lasse es allerdings bleiben. Ganz
gleich was der Frühling im Bezug auf die Entstehung der Liebe
auch bedeuten mag, diese Melodie ist einfach unpassend. Zum Glück ist
sie aber nur am Anfang und Ende des Liedes zu hören.
Im Sommer wird auf solche Wagnisse komplett verzichtet.
Stattdessen wird das Stück locker und filigran mittels langem Soli
eingeleitet, was sich ganz gut anhört. Nachfolgend entwickelt sich Sommer zu einem vielschichtigen Lied, da es über 13 Minuten lang ist (alle Lieder von Jahreszeiten liegen jenseits der zehn Minuten, Prolog
ausgenommen) und somit reichlich Raum für verschiedene Stimmungen
gibt. Auf eine eindringliche, energische und auf mich hasserfüllt
wirkende Passage folgt ein ruhigerer, von Schwermut bestimmter
Abschnitt. Die grell verzerrten Gitarren wissen zu gefallen, geben
schöne Riffs zum Besten und auch das Schlagzeugspiel weiß in seiner
Vielfalt zu überzeugen. Zum Ende hin wird das Tempo ein wenig angezogen
und Nargaroth entwickelt eine nordische Atmosphäre,
die mich ein wenig an frühe Kampfar erinnert. Aber gewisse
Gitarrenklänge erinnern in ihrer rohen Melancholie aber auch an Rasluka I und II sowie Geliebte des Regens.
Das 22 Minuten lange Lied Herbst beginnt ruhig, seicht
und auf angenehme sowie angemessene Art und Weise melodisch. Diese
melodische Einleitung wirkt etwas wehmütig aber zugleich auch
sehnsüchtig. Regengeplätscher, Donnergrollen und Rabenlaute
komplettieren diese herbstromantische Anfangsphase. Im Verlauf des Herbstes gibt sich Nargaroth
längeren, tragenden Instrumentalpassagen hin. Obwohl der Liedtext
nicht gerade kurz ist, relativiert und verläuft sich der Gesang in der
Länge des Liedes. Neben Wechseln und Tempovariationen gibt es in den
Schlussminuten von Herbst auch Klargesang zu hören. Dieser ist
zwar nicht schlecht, hätte meiner Meinung aber auch nicht sein müssen.
Die Atmosphäre der Instrumentalisierung ist mehr als ausreichend.
Passend zum strengen Frost eines unerbittlichen Winters gibt es im letzten Jahreszeiten-Kapitel
schnelle Passagen von rasendem Tempo zu hören. Schnelle Riffs und ein
eingestreuter Kampfschrei befördern die angestrebte aggressive
Atmosphäre. In den ersten Minuten wird durch diese Passagen auch eine
gewisse Eingängigkeit geschaffen, die dann irgendwann von einem
sphärischen Soli abgelöst wird. Nach diesem Soli kommt es zu einer
Tempodrosselung, wobei es zunächst dennoch zügig bleibt und
wiederkehrende Schreie, die diesmal gepeinigt wirken, die anfängliche
aggressive Stimmung allmählich auflösen, bevor der Winter dann immer atmosphärischer wird. Erst kurz vor dem Ende ist dann erneute Raserei zu hören.
Ich bin von Jahreszeiten angenehm überrascht, da mir die letzten Veröffentlichungen Nargaroths nicht so gut gefielen und die neue Scheibe wider Erwarten als gelungen zu bezeichnen ist. Jahreszeiten
ist sicherlich nicht das beste Album, gehört für mich aber dennoch zu
den besseren Erscheinungen von Kanwulf. Spielerisch kann es gänzlich
überzeugen, aber atmosphärisch und melodisch ist es nicht immer so
treffsicher, wie etwa Frühling und seine kuriose
Schunkelmelodie oder auch der Klargesang, zeigen. Aber das sind Fragen
des Geschmacks, über den man ohnehin nicht streiten kann.
7,5/10
Aceust
01. Prolog
02. Frühling
03. Sommer
04. Herbst
05. Winter
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