Als vor sechs Jahren das Debütalbum I
erschien, war ich davon vollends entzückt. SPECTRAL LORE schaffte es
perfekt Beklemmung, Rohheit und eine latente Schwermut miteinander zu
vereinen. Nur ein Jahr später erschien II,
welches mich ebenfalls zu fesseln vermochte. Danach habe ich dann fünf
lange Jahre nichts Neues mehr von SPECTRAL LORE gehört, die Split mit
UNDERJORDISKA aus dem Jahre 2008 verpasste ich irgendwie. Zwischen II und Sentinel liegen ganze fünf Jahre, dies ist eine relativ lange Zeit, und diese längere Pause hört man Sentinel auch mit jeder Sekunde Spielzeit an. Sentinel
ist mit den zwei Vorgängeralben nur bedingt zu vergleichen. SPECTRAL
LORE geht auf dem dritten Werk einen, zwar nach wie vor düsteren und
auch verstörenden, aber anderen Weg.
Die ersten Eindrücke, immer I und II im
Hinterkopf habend, vermitteln einen experimentelleren Eindruck. Die
langen Lieder sind sehr komplex, sehr facettenreich und ufern teilweise
regelrecht chaotisch aus. Es finden sich auf Sentinel Einflüsse des Hinduismus, textlich als auch musikalisch. In Quest For The Supramental
gibt es etwa ein Riff, welches stark an RUDRA aus Singapur erinnert,
und RUDRA sind bekannt für ihre Vermischung von Black/Death und
traditionellen hinduistischen Klängen. Wenn man diese Musik jedoch
nicht kennt, fällt einem dieses besondere Riff jedoch nicht auf.
SPECTRAL LORE verarbeitet diese Einflüsse also überaus dezent, nur wenn
man besonders aufmerksam ist, erschließt sich einem die volle
Bandbreite des Albums. In The Dejection Of Arjuna findet sich
das erste Kapitel der „Bhagavad Gita“, übersetzt von Sri Aurobindo,
wieder, welches von SPECTRAL LORE in einem langen und zum Teil
chaotischen sowie brutalen Lied umgesetzt wurde.
Wenn man das komplette Album als ein Ganzes betrachtet, ist es
ein in sich durchaus schlüssiges, wenn auch anspruchsvolles, Album.
Wenn man sich die einzelnen Lieder einzeln anschaut, ist es in Teilen
schwer verdauliche Kost. Es gibt sehr eigenwillige Harmonien, die gern
disharmonisch sind, überdies gibt es auch viele Rhythmuswechsel und
rhythmische Verschiebungen, die, wenn sie mit diesen Disharmonien
zusammen kommen, sehr komplex und chaotisch wirken. So experimentell
und chaotisch SPECTRAL LORE bisweilen auch klingen, so geradlinig und
brutal kann es auch auf der anderen Seite werden. Es gibt immer wieder
schnelle Raserei mit tiefem und dunklem Gesang, der mehr zu Death Metal
oder Funeral Doom als zum Black Metal passt. Dieser spezielle Gesang
ist für mich ein Glanzlicht des Albums, da er böse und verstörend, sehr
stimmungsvoll ist und der Musik etwas Besonderes verleiht. Aber auch
die eigenwilligen, teils technischen und disharmonischen Gitarren
wissen zu gefallen. Manchmal klingt SPECTRAL LORE wie eine verstörte
Kreuzzung von BLUT AUS NORD und DE MAGIA VETERUM.
Sentinel ist mit 75 Minuten zudem auch ein langes Album. Allerdings beansprucht schon das letzte Lied Atlus (A World Within A World) mit 30 Minuten gut die Hälfte. Atlus
ist durchgehend ein Ambientstück, in dem diverse Geräusche und Klänge
Dunkelheit und Entspannung zugleich versprechen. SPECTRAL LORE hat mich
mit Sentinel in jedem Fall überrascht, solch ein Album hatte
ich nicht erwartet. Der Grieche wird sicherlich eine Menge neuer Hörer
gewinnen und all jene, die I und II mochten, müssen
sich auf etwas Neues einstellen. Es gibt zwar auch Elemente von einst,
etwa maschinenhaftes, dronenartiges Gehämmer, aber klanglich völlig neu
verpackt. Sentinel ist ein schwieriges und sperriges Album,
für das man viel Zeit mitbringen muss. Wer abstrakte und chaotische
Lieder mit Überlänge und das Wechselspiel von sphärischen Einlagen und
makabren Geballer mag, wird hiermit sicherlich seine Freude haben,
zumal das Digipak ansprechend gestaltet wurde und auch optisch etwas
her macht. Sentinel ist obskurer, eigenwilliger und sehr
abwechslungsreicher Black Metal. Ich bin davon fasziniert, auch wenn ich
das Album sicherlich nicht immer hören werden kann. Für bestimmte,
sonderbare Stimmungen ist es aber ein perfekter Begleiter.
http://spectrallore.bandcamp.com/
http://www.stellar-auditorium.com/
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen