Mittlerweile hat Stefan Johannes seinen festen Platz auf meinem
Schreibtisch. Wenn nicht gerade eine neue Veröffentlichung von Licht-
und Schattensaiten ansteht, dann gibt es eben etwas Neues von seinem
zweiten Projekt Jahresringe. In diesem Fall handelt es sich um die zweite Jahresringe-Veröffentlichung die Zeit spielt den Wunden zu.
Obwohl die CD sechs Titel enthält, handelt es sich hierbei aber
tatsächlich um ein einziges langes Stück, welches lediglich in sechs
Abschnitte unterteilt wurde.
Der erste Abschnitt ist von einer ruhigen Schönheit, die vor
allem durch eine sehr dezent gehaltene Melodieführung und dem klaren,
ein wenig an einen Chor erinnernden, Gesang auffällt. Dieser Gesang ist
an und für sich nichts besonderes, doch durch die Art und Weise, wie er
von Stefan vorgetragen wird, zusammen mit der sanften und unauffälligen
melodischen Begleitung, entfaltet er eine Atmosphäre, die etwas
demütiges in sich trägt.
Im zweiten Abschnitt wird es dann etwas dunkler, die Bassgitarre
schimmert deutlicher durch, der Gesang ist nun leicht verzerrt und auch
das melodische Gefüge birgt mehr Dunkelheit in sich. Im Verlauf fallen
dabei aber viele Wechsel auf, die aus längeren instrumentalen Parts
bestehen, die entweder langsam und dunkelharmonisch oder schnell und
treibend sind. Diese wechselhafte Vielschichtigkeit trifft im Übrigen
auf das gesamte Werk zu.
Der dritte Abschnitt enthält beispielsweise mehr Text und das
druckvoll gestaltete und treibende Schlagzeugspiel wird von einer sehr
lebendigen Gitarre begleitet, die selten still hält und dem Abschnitt
einen sehr markanten Zug verleiht. Viel atmosphärischer, ruhiger und
geradezu malerisch zeigt sich der vierte Abschnitt. Hier sind zum teil
klare Gitarren zu hören, die schöne Melodien erzeugen die ein wenig
schwermütig sind, was auch an der ruhig sprechenden aber minimal
verzerrten Stimme liegt.
Lebhafter und schneller geht es im fünften Abschnitt zu. Die
Gitarren stehen auffallend im Mittelpunkt und werden eingängig flott
gespielt. Der ruhig im Hintergrund stehende Bass gibt dem Treiben eine
tiefe und druckvolle Note. Dieses eingängige strukturierte Gitarrenspiel
steigert sich allmählich und gleicht beinahe schon einem Soli als es
abrupt endet und die anfängliche Eingängigkeit wieder einkehrt. Dieses
stete flackernde Gitarrenspiel, mitsamt des ebenso antreibenden
Schlagzeugs, erzeugt ein Gefühl der inneren Unruhe, ein Gefühl, dass
einen nervös und zucken macht.
Der letzte Abschnitt beginnt ziemlich schnell und druckvoll.
Diese barsche Schnelligkeit wird allerdings immer wieder von langsameren
oder stampfenden Parts unterbrochen, die zum Teil aber nicht weniger
brachial sind. In diesem letzten Abschnitt wird auch Stefans Gesang
erstmalig richtig intensiv. Oft ist auch die Bassgitarre druckvoll und
mächtig wabernd zu hören, was dazu führt, dass die erste Hälfte des
letzten Abschnitts der heftigste und energischste Part des Albums ist.
Die zweite Hälfte ist dann nämlich ein sehr ruhiger Ausklang, in dem
ausschließlich Naturgeräusche, wie etwa Vogelgezwitscher, zu hören sind.
die Zeit spielt den Wunden zu ist weitaus weniger druckvoll und aggressiv als der Vorgänger Der Dunkelheit beraubt.
Der Anteil an harmonischen und atmosphärischen Anteilen demnach also
viel höher, was mir gut gefällt, da Stefan einfach ein ausgesprochen
gutes Gespür für gute Melodien und Harmonien hat. Der Dunkelheit beraubt
hat mich zwar auch schon angesprochen, doch sagt mir diese Form der
Verbindung von atmosphärischen und energischen Anteilen mehr zu. Ein
wenig gewöhnungsbedürftig ist, wie fast immer, manchmal der Rhythmus und
das Schlagzeugspiel, welches sich Stefan autodidaktisch beigebracht
hat. Stellenweise wirkt und klingt es ein wenig mechanisch und
mathematisch, was aber auch seinen Reiz hat, da es die niveauvolle
Individualität der Musik unterstreicht.
Für aufgeschlossene Leute, die keine Scheu vor experimenteller
Musik haben, ist – wie auch das übrige Material von Stefan Johannes – die Zeit spielt den Wunde zu, empfehlenswert.
7,5/10
Aceust
01.
02.
03.
04.
05.
06.
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